Elektrovelosteuerung

De VPH

Diese Seite beschreibt die Steuerung von Elektrovelos, insbesondere Pedelecs, und was es dazu braucht.

Sommaire

Die Steuerung von Elektrovelos

Der Antrieb von Elektrovelos kann auf viele Arten gesteuert werden:

  1. Am einfachsten ist ein simpler Schalter. Dieser wird erst betätigt etwa bei der gewünschten Fahrgeschwindigkeit, da der Motor sonst überlastet wird oder bei Betätigung im Stand sogar durchbrennt.
  2. Wie oben, aber gekoppelt mit einer mechanischen Einrichtung, z.B. einer Andruckrolle auf einen Reifen oder ein stufenloses Getriebe.
  3. Wie 1. aber gekoppelt mit einer elektronischen Regelung wie beim Vivax Sattelrohrmotor.
  4. Stufenlose elektronische Steuerung. Dies ist meistens ein Hebel, Joystick oder Drehgriff am Lenker, der die sanfte Beschleunigung aus dem Stand erlaubt, mit oder ohne Muskelkraft. Bei Motoren, die ohne Freilauf antreiben, ist auch eine stufenlose Bremsung möglich.
  5. Pedelec-Steuerung. Hier wird der Motor erst durch die Betätigung der Pedale in Betrieb gesetzt. Dieser Typ ist zum Marktleader avanciert und kommt in vielen Varianten vor, die nachfolgend beschrieben werden. Hierbei braucht es einen oder mehrere Sensoren.


Pedelec-Sensoren

  • Am einfachsten ist ein simpler Geschwindigkeitssensor am Kettenrad, der ab einer bestimmten Geschwindigkeit den Motor einschaltet, eine weitere Steuerung freigibt oder selber stufenlos regelt.
  • Mechanisch schwieriger aber elektronisch einfacher ist ein Kraftsensor in der Kette, die den Motor einschaltet, eine weitere Steuerung freigibt oder selber stufenlos regelt.
  • Kraftsensoren sind auch möglich an den Kurbeln, Pedalen, Kettenblatt, Tretachse oder Achse des angetriebenen Rades.
  • Spezielle Sportler-Pedelecs messen auch den Puls, Sportwissenschafler auch Blut und Atemluftwerte.

Je nach Art der Zusammenführung des Pedal- und des Elektroantriebs wirkt eine Rückkopplung auf die Sensoren, z.B. wenn die Kraft des Motors selber auf einen Kraftsensor wirkt, der wiederum den Motor noch mehr aussteuert. Dies kann dazu führen, dass der Elektroantrieb schon mit wenig Muskelkraft stark antreibt oder bei Defekten sogar von selber weiterläuft oder beschleunigt.

Messung der menschlichen Leistung

Eine reine Muskelkraft respektive Drehmoment auf den Kurbeln praktisch ohne Bewegung, oder im Gegenteil eine reine Bewegung praktisch ohne Kraft, sind keine Leistung, denn Leistung braucht beides, sowohl Kraft als auch Bewegung. Berechnet wird die Leistung als Kraft mal Geschwindigkeit oder Drehmoment mal Umdrehungszahl. Am einfachsten geht es mit den Masseinheiten des metrischen Systems, welches SI (Système International) genannt wird und wir alle teilweise kennen. Dann ist die Leistung in Watt (W) gleich der Geschwindigkeit in Meter pro Sekunde (m/s) mal der Kraft in Newton (N).

Rechenbeispiel:
Steht man auf einem Pedal, wirkt etwa das Körpergewicht als Kraft. Ein schwerer Mann mit 102 kg Masse
drückt mit etwa 1000 Newton Gewichtskraft rechtwinklig auf das Pedal. Die meisten Pedalkurbeln sind 17 cm lang, 
der Umfang des ganzen Kreises einer einzigen Pedalumdrehung etwa 1 m. Wäre der Mann auch sehr stark und geübt,
könnte er die 1000 N durchschnittlich über eine halbe Umdrehung aufrechterhalten und die andere Hälfte
mit dem anderen Bein. Wenn er 60 Kurbelumdrehungen pro Minute, also eine pro Sekunde schafft, ergibt das
1000 N x 1 m/s = 1000 W. Tatsächlich können nur gut trainierte Leute während sehr kurzer Zeit eine solche
Leistung erbringen, ein Pferd hingegen viel länger, denn eine Pferdestärke (PS) entspricht etwa 735 W.

1000 W oder 1 kW liegen also nur während Sekunden oder höchsten Minuten drin, aber 100 W Dauerleistung schaffen die meisten Leute. Die Eingangsleistung ist jedoch höher, denn der Mensch als Motor arbeit mit maximal etwa 25% Wirkungsgrad und muss für jedes Watt Ausgangsleistung 4 Watt "essen". Ein Watt ist auch als Joule (J) pro Sekunde definiert; für 1 kW Leistung muss ein Mensch also 4 kJ/s essen, das ist z.B. etwa 0.25 g Traubenzucker pro Sekunde. Wer eine Stunde lang mit 100 W velofährt, müsste dafür während dieser Stunde theoretisch 100-150 g Zucker zu sich nehmen, z.B. 1-1.5 Liter Süssgetränk trinken. Tatsächlich muss man nichts zu sich nehmen, denn Fett enthält die mehrfache Energie und davon haben wir mehrere kg Reserve. 1 kg Fett reicht neben der normalen Nahrung theoretisch für einen ganzen (24h) Tag Velofahren und damit käme man vielleicht 500 km weit.

Die Leistung nach der Nahrung zu berechnen ist nur über lange Zeiträume möglich und beruht ohnehin auf sehr einfachen Annahmen. Mehr Info z.B. hier und hier. Bei genauen Sportmessungen werden deshalb der in der Atemluft verbrauchte Sauerstoff und/oder die Blutwerte gemessen. Man kann auch mit einem sogenannten Conconi-Leistungstest eine Korrelation zwischen Pulswerten und Leistung aufzeichnen. Damit werden Elektrovelotests durchgeführt. Da dies aufwändig ist, wird manchmal darauf verzichtet und mit ungeeichten Pulswerten getestet, was immerhin relative Aussagen ermöglicht, wenn z.B. dieselbe Testperson verschiedene Pedelecs immer mit demselben Pulswert fährt.

Gute Pedelec-Steuerungen messen sowohl Pedalgeschwindigkeit als auch Kraft. Aussnahmen sind möglich: wenn die Steuerung das physikalische Modell des Pedelecs gut abbildet, kann in speziellen Fällen ein einziger Sensor gute Ergebnisse liefern.

Messung der motorischen Leistung

Wenn es das Ziel ist, eine genaue Korrelation zwischen Mensch und Motor herzustellen, muss auch die Leistung des Motors bekannt sein. Die Eingangsleistung ist einfach zu messen, es ist in Watt die angelegte Spannung in Volt mal den Stromfluss in Ampere. Die meisten Steuerungen begnügen sich damit. Es ist jedoch ungenau, da dies nur die elektrische Eingangsleistung darstellt, und nicht die gesuchte mechanische Ausgangsleistung. Diese ist berechenbar, wenn der Wirkungsgrad bekannt ist, aber dieser variiert stark je nach Motortyp (typisch sind maximal 70-90%) und Betriebspunkt (z.B. fast Null beim Anfahren). Deshalb sollte auch die mechanische Leistung des Motors gemessen werden, als Drehzahl mal Drehmoment. Ersteres ist einfach, letzteres schwierig. Deshalb verzichten die meisten Steuerungen auf diese Messung.

Je nachdem, wie und wo die Muskel- und Motorantriebe zusammenkommen und wo die Sensoren messen, kann die Steuerung den gewählten Gang berücksichtigen oder nicht.

Fazit

Eine universelle und genaue Pedelec Steuerung müsste je zwei menschliche Werte und Motor-Werte messen, und zusätzlich die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Strassenneigung. Damit wäre es möglich, alle geforderten Abhängigkeiten zwischen Motor- und Muskelleistung zu jeder Zeit zu gewährleisten. Tatsächlich haben die meisten Pedelecs heutzutage zwar digitale Steuerungen, die das könnten, aber nicht genügend Sensoren. Somit ist die Fahrcharakteristik je nach Pedelec-Typ und meistens je nach gewählten Gang etwas verschieden. Zudem bieten die meisten Steuerungen Leistungsstufen, wodurch sie zusätzlich modifizierbar ist.


Verstärkungsfaktor bei Pedelecs

Wenn ein Pedelec mit programmierbarer Steuerung und der oben beschriebenen Sensorik vorhanden ist, was wäre der ideale oder optimale Verstärkungsfaktor, also die Motorleistung im Verhältnis zur Muskelleistung?

Die Antwort hängt von mehreren Faktoren und Zielen ab, z.B.:

  • Maximierung der Geschwindigkeit
  • Maximierung der Reichweite
  • Maximierung der Sicherheit
  • Maximierung des Fahrspasses
  • Maximierung der Energieeffizienz
    • nach Anschaffung
    • nach Betrieb
  • Maximierung der finanziellen Effizienz
    • nach Anschaffung
    • nach Betrieb

und

  • abhängig von der Geschwindigkeit
  • abhängig von der Dauer des Fahrabschnitts
  • abhängig von der Neigung der Strasse
  • abhängig von der Strassenoberfläche
  • abhängig von der Art des Fahrzeugs
  • abhängig vom Fahrer
  • abhängig vom Fahrzeuggewicht
  • abhängig vom Gegenwind

Selbst bei Beschränkung einiger der Faktoren und Ziele auf "normale" Werte und Ziele, ist es offensichtlich, dass es keine eindeutige Antwort geben kann und der optimale Verstärkungsfaktor alle Werte zwischen Null und Maximal annehmen kann. Selbst wenn das Maximierungsziel eindeutig erscheint, ist der Wert abhängig von den Umweltbedingungen. Aber auch die Wahl eines Maximierungsziels kann komplex sein oder im Konflikt mit einem anderen Ziel sein.

"Logische" Verstärkungsfaktoren

Man könnte versuchen, einen "logischen" Faktor zu finden, z.B. maximal 1:1. Das hiesse, leistet der Motor mehr als der Mensch, ist das Pedelec kein Velo mehr, sondern ein Motorfahrzeug. Aber, so logisch ist das nicht unbedingt, denn schon ein normales Velo hat einen starken "Motor", nämlich immer dann, wenn es bergab fährt oder Rückenwind hat. Wer eine 10% Neigung mit 50 km/h herunterfährt, wird mit etwa 2 kW angetrieben. Man könnte also sagen, 1:1 bei ebener Strasse und Windstille.

Was heisst aber genau 1:1, geht es um die mechanische Leistung oder um die Eingangsleistung der gespeichteren Energie wie oben beschrieben? Da der Wirkungsgrad eines Elektroantriebs etwa drei mal höher als derjenige der Muskelkraft ist, dürfte bei energetischer Betrachtungsweise der Motor mechanisch drei mal leistungsfähiger sein als der Mensch.

Eine andere Logik wäre es, gerade bei ebener Strasse und Windstille den Faktor 0 zu nehmen, denn bei diesen Bedingungen fährt ein normales Velos schnell genug. Dafür wollen wir aber zulassen, dass ein Elektrovelofahrer mit derselben Anstrengung mit derselben Geschwindigkeit bergauf oder gegen den Wind fahren darf, besonders da die Sicherheit dann immer noch höher als bei ebener Fahrt ist. Dann wäre der Verstärkungsfaktor auf einer steilen Strasse sehr hoch, z.B. 5.

Auf dieselbe Art könnten noch weitere "logische" Pedelec-Betriebsarten gesucht werden. Velosportler regen sich vielleicht auf, von eindeutig unfitten oder schwachen Menschen überholt zu werden. Soll der Verstärkungsfaktor so gewählt werden, dass fitte Rennvelofahrer immer schneller sind? Oder soll er im Gegenteil dermassen hoch gewählt werden, um Pedelecs attraktiv für die Fahrer schwerer Motorräder zu machen, welche eine extrem hohe Motorisierung gewöhnt sind?

Fazit

Es gibt keine objektiv optimalen Verstärkungsfaktoren, sondern nur subjektive Wünsche. Die Spannbreite ist so gross, dass es wenig Sinn macht, Verstärkungsfaktoren in Vorschriften einzubauen.


Idee von Extra Energy

Da uns der Leistungsfaktor wohl nicht weiterbringt, gibt es eine bessere Idee? Extra Energy hat eine, Punkt 2 seiner Wunschgesetzgebung in EE-Magazin-8-2013-Seiten16-17.pdf

Pflicht eines Kraftsensors – verbot von Bewegungssensor gesteuerten Pedelecs
Unterstützung bei Muskelleistungen unter 50 W bis max. 15 km/h
Unterstützung bei Muskelleistungen unter 100 W bis max. 20 km/h 
Unterstützung bei Muskelleistungen unter 150 W bis max. 25 km/h 
darüber Unterstützung bis max. 32 km/h
Bild: [1]:
Die rote "Treppe" ist der Vorschlag von Extra Energy, das blaue Rechteck die existierende Regelung für L-Pedelecs, und die gepünktelte Fläche die Regelung für S-Pedelecs.

Diese Idee ist etwas einfacher als die eines Verstärkungsfaktors und umgeht einige der Nachteile. Es ist eine Beschränkung gegenüber der heutigen Gesetzgebung (frei bis 25 km/h bzw. 45 km/h mit Auflagen), dafür sind zulassungsfreie Tempi bergauf oder bei Gegenwind bis 32 km/h möglich.

Die Schweiz wird kaum von sich aus noch eine weitere Fahrzeugkategorie einführen, aber wenn es Extra Energy gelingt, sie in der EU einzuführen, könnte Pro Velo hier vermutlich zustimmen.